Logo

Nomadic Mike Blog

Puerto Princesa - Eine Ankunft, die ins Wasser fällt

Ich sitze gerade im Security Bereich des Münchner Flughafens. Ich habe mich die vergangene Woche von allen verabschiedet. Von den wichtigsten Menschen heute morgen. Nun geht es los. Ich war die letzten 13 Jahre wie wir alle immer wieder im Urlaub, jetzt reise ich mal wieder, ein schönes Gefühl. Ein Jahr liegt nun vor mir. Der Gedanke daran mich mal ausschließlich um meine Erwartungen zu kümmern und nicht um die von anderen ist immer noch etwas surreal für mich. Eine Situation, die man spätestens, wenn man zu Arbeiten beginnt verlässt. Ich bin gespannt welche Erlebnisse und Erfahrungen vor mir liegen. Die letzten beiden Wochen vor meinem Abflug haben meine Laune etwas getrübt, ich hatte wieder Probleme mit meiner ausgeleierten Bandscheibe. Man wird eben nicht jünger - die Dauersitzerei macht kaputt, dafür ist der Mensch nicht gemacht. Ich mache mir Gedanken: Soll ich nochmal zum Arzt gehen, mit Bandscheibenvorfall irgendwo auf der Welt ruml;iegen ist nicht so cool. Wird mein Rücken herhalten. Wenn ich jetzt nochmal zum Arzt gehe, wird mich die Auslandskrankenversicherung nicht versichern. Vorerkrankungen sind "not included" wenn eine Behandlung in den letzten 6 Monaten stattgefunden hat. Hm, blöd... Ich entscheide mich zu fliegen! Denke mir, sch... dauf - nicht jammern, machen! Ende der Philosophiestunde! Nach Jahren vollgepackt mit Alltag, Administration, Routine und Monotonie - so wie wir Deutsche unser Leben erfolgreich bestreiten - ist jetzt mal wieder etwas Abenteuer angesagt. Nicht zu viel, aber es wird mir gut tun mal wieder etwas über den Tellerrand der Komfortzone zu blicken und nicht einfach nur "weiter zu machen". So etwas bringt persönlich oft weiter als ein 1-stündiger Onlinekurs, der einen mit einem hübschen PDF-Zertifikat entlohnt. Wobei das auch was hat, da entwickelt man mit der Zeit eine echte Sammlerleidenschaft. :) Mein Flug geht über Bahrain - Manila und nach etwas Verspätung Puerto Pricessa, dem Hauptort auf der Insel Palawan auf den Philippinen. Meine Ankunft kann man buchstäblich als "ins Wasser gefallen" bezeichnen. Wetterbericht der nächsten 2 Wochen: Tropische Wirbelstürme und Taifune. Als ich in Puerto Princessa das Flugzeug verlasse schüttet es wie aus Kübeln. Mein Plan war zu Fuß zur 2 km entfernen Unterkunft zu gehen, ich ziehe es dann doch vor ein TukTuk zu nehmen. Ab jetzt weiß ich wozu TukTuks wirklich fähig sind. Kurze Zeit später bis zu den Knien mit Schlamm bedeckt checke ich im Bamboo Nest ein. Wie sich noch rausstellen sollte genau die richtige Unterkunft. Ich gönne mir erstmal eine wohlverdiente Dusche nach fast 24h unterwegs. Die lange Hose wird durch eine Short getauscht und natürlich ist hier überall Barfußpflicht. Nächster Punkt auf der To Do Liste: Essen fassen. Das letzte Mal hatte ich gegen 4 Uhr deutscher Zeit ein Hörnchen im Flieger. Jetzt ist es 18 Uhr. Im Küchenbereich lerne ich Martin aus Deutschland kennen, auch eben Angekommen aus Japan. Martin ist seit 2 Monaten in Japan unterwegs und wollte nochmal die Philippinen mitnehmen bevor es wieder nach Deutschland geht. Er hatte 10 Jahre in Laos ein Hostel geführt, da lasse ich es mir nicht entgehen ein paar Tipps zu catchen für meinen Laos-Aufenthalt. Sein Magen knurrte so laut wie meiner also beschlossen wir das Thema gemeinsam anzugehen und erkundigten uns bei den Besitzer der Unterkunft wo man sich hier der Nahrungsaufnahme widmen kann. Er meinte wegen den Taifunen haben alle Geschäfte und Restaurants geschlossen aber er hat noch ein anderes Hostel unten am Strand. Da gibt es was zu essen und es ist noch Strandparty angesagt. Er versucht uns den Weg zu beschreiben und meint, hier rechts könnt ihr gehen aber nicht bis ganz vor. Das ist militärisches Sperrgebiet, nicht lustig wenn ihr da auftaucht. Nachdem wir ewig gesucht haben vertrauen wir wieder auf das TukTuk. Geschickt manövriert uns der Fahrer durch all die Sturzbäche bin zum Strand. Wir platzen direkt in eine Alternativparty rein. Es wird getrommelt, Happywasser wird am Tisch serviert und alle sind gut drauf. Ich hol mir erstmal was zu essen und ein Bier. Es gibt frischen Thunfisch, Reis, einen astiatischen Nudelsalat und irgendein rosa Glibberzeug mit Mais wovon ich meiner Finger lasse. Auf das Happywasser verzichte ich auch. Meine jungendlichen Erfahrungen mit derartigem Zeug, die man an einer Hand abzählen kann waren eher schmerzhaft, so dass ich gut und gern darauf verzichte. Schnell ist Kontakt geknüpft und wir sitzen in einer lustigen Gruppe von Leuten. Der Besitzer der Unterkunft zückt die Gitarre und erweist sich als ziemlich talentierter Alleinunterhalter. Eine willkommene Abwechslung zu der Trommelei. Ein wahres Multitalent: Hotelbesitzer, Tauchlehrer, Musiker. :D Ein ziemlich bunter Haufen sind wir an diesem Abend. Pablo aus Spanien, der in Regensburg Maschinenbau studiert hat und seit 5 Monaten unterwegs ist (die Welt ist ein Dorf), Martin, 3 Deutsche Freundinnen die 3 Monate in Südostasien unterwegs sind, eine Schweizerin, eine andere Spanierin, ein englisches Pärchen das 4 Monate durch Südostasien reist, daneben noch Araber, Marrokaner, Franzosen,... Der krasseste Typ von allen ist Domingo. Domingo ist auch Spanier, seit einem Jahr hier und lebt jeden Tag als sei es sein letzter. Ich denke nicht dass er viel schläft, Happywasser, Bier und Rum halten wach. Jeden Tag wacht er wo anders auf. Irgendwann spät in der Nacht gehen wir alle zu Fuß heim und fallen ins Bett. Ich bin totmüde und gejetlagged - schlafe sofort ein.

Mein Plan war es heute gegen 8 aufzustehen. Aufgewacht bin ich um 12 Uhr mit der Zeitverschiebung. Aber was solls, ich habe ein Jahr ohne Termine geplant. Ich orientiere mich erstmal. Es gießt immer noch aus Kübeln, der Taifun draußen tobt. Alles hat zu, man kann nichts kaufen - gelegentlich haben wir Strom. Dann rennen alle panisch zur Steckdose um die Reiseelektronik zu betanken. Ich muss schmunzeln, ein schöner Kontrast zu meinem Alltag. Die Einfachheit, die ich gesucht habe. Heute ist Sharing Day. Jeder hat noch irgendwas an Vorräten. Ich ergattere einen Kaffee. 2h später wird Tortilla mit Gemüsepfanne und Reis gekocht. Das, was man in den kleinen Ständen in der Umgebung kaufen kann entscheidet was im Teller landet. Ich lerne von unseren Spaniern wie man echte Tortilla kocht. Zertifikat hab ich keins erhalten, aber das ist mir egal. Den Rest des Tages erzählt jeder wo er her kommt, wo er hin reist, seine Geschichte. Einige nehmen eine Auszeit, andere haben ihre Jobs gekündigt und suchen sich was Neues wenn sie wieder in die Heimat kommen, wieder andere sind auf der Suche danach, wo man sich ein Business aufbauen kann. Ich lerne wie man Fakeflüge bucht. Wenn man als Langzeitreisender unterwegs sein möchte ist das nicht mehr so einfach wie früher. Vor 13 Jahren in Südamerika habe ich bei Einreise in ein Land ein 3-Monatsvisum bekommen. Heutzutage registriert man sich via App, alles wird abgefragt: Facepic, Fotos und Nummer des Reisepasses, wann reist man ein, wann wieder aus, Flugnummer. Das ist blöd wenn man einreist und noch nicht weiß wie lange man bleiben will. Also bucht man auf gewissen Seiten einen Fakeflug, der sich nach ein paar Tagen wieder löscht aber mit gültiger Flugnummer. Pablo zeigt mir, wo man für 100 Pesos (1,60 &euro) gutes philippinisches Essen bekommt. Wenn man will reichen 5€ pro Tag ohne dass man das Gefühl hat auf was verzichten zu müssen. Man weiß zwar nie wirklich was man isst aber probieren geht über studieren. So lange es den Ofen gesehen hat ist das ok für mich als Biologe. Ich reise nicht mehr so ganz low Budget wie früher aber ein Jahr will doch finanziert werden und zu Hause warten auch finanzielle Verpflichtungen, somit das Ersparte bleibt auf dem Konto für Orte und Momente, die es wert sind mehr auszugeben. Ich hole mir von allen noch diverse Tipps für meine CountryToDoListen (OMG so German) um etwas Stoff für meine Reise zu haben. Die besten Tipps bekommt man eben immer von den Leuten, die gerade dort waren, deshalb reise ich auch gegen den Uhrzeigersinn in Südostasien. Damit kommen mir die Leute aus den Ländern entgegen, in die ich reise. An diesem Tag findet noch ein spektakuläre Rettungsaktion statt. Domingo, der Partyhengst ist heute ausnahmsweise mal nicht beim Feiern abgesoffen sondern in seinem Hotel und musste gerettet werden. Ein Kajak wurde organisiert und eine spektakuläre Rettungsaktion prägte den Tag. Das musste Abends natürlich gleich nochmal gefeiert werden und Domingo zog mit ein paar von den anderen nochmal los. Der Typ ist echt der Hammer. Ich glaube nicht, dass er noch lebt wenn mein Jahr vorbei ist, ich wünsche es ihm aber sehr. Der Abend geht für mich früh zu Ende aber die Nacht ist lang. Der Jetlag liegt mir noch etwas in den Knochen und ich schlafe gegen 22 Uhr ein, wache aber gegen 12 wieder auf und mach kein Auge zu.

Heute ist der erste Tag, der es zulässt mal etwas durch den Ort zu laufen. Bei all der lockeren Stimmung, welche die letzten beiden Tage herrschte sehen wir das Ausmaß der Zerstörung. Die Situation ist wirklich frustierend, man läuft die Straßen entlang und sieht, wie hier komplette Existenzen zerstört sind. Ich schäme mich fast, gestern die Sache noch locker gesehen machten wir Witze. Wohl davon angetrieben "mal was zu erleben" wenn man Jahre in der Monotonie verbringt. Plötzlich wird man mit dem Kampf um die eigene Existenz konfrontiert. Von den Einheimischen erfahren wir, dass es seit 25 Jahren nicht mehr derartige Taifune gab. Sonst gibt es hier 1 Woche Regen im Jahr. Meine Anwesenheit scheint dafür zu sorgen, dass hier Einiges los ist. Eigentlich wollte ich das schlechte Wetter zu Hause in Deutschland lassen. Wir laufen etwas am verwüsteten Strand entlang und trinken einen Kaffee und ein Bierchen in der Location, in der wir vorgestern Abend waren. Wir treffen einen Deutschen Lebenskünstler, der hier seit Jahren lebt. Bassspieler, Hostelbesitzer, hat hier eine Philippina geheiratet. Jetzt versucht er ihre Freundinnen an den Mann zu bringen. Der junge Typ aus Saudiarabien in unserem Hostel scheint recht interessiert da von ihm zu Hause eher Zurückhaltung erwartet wird bis die versprochene Frau in sein Leben treten wird. Aber nach ein paar Bier fällt die Sache für ihn buchstäblich ins Wasser wie auf dem Bild zu erkennen ist. Auch Alkohol gibt es bei ihm zu Hause nicht und aus eigener jugendlicher Erfahrung weiß ich, dass man zumindest als Mann mit diesem Thema zuerst Erfahrungen macht als mit dem anderen. Somit kann ich ihn verstehen, denn irgendwie muss man ja mal anfangen... Man wächst eben mit seinen Herausforderungen. Ich freue mich wieder einmal diese Phase meines Lebens verlassen zu haben auch wenn sie schön war. Jedes Jahrzehnt des Lebens hat was anderes zu bieten. Wenn das Jahrzehnt in dem man lebt nicht genauso verläuft wie das vorherige, hat man schon viel richtig gemacht. Der deutsche Lebenskünstler war dann auch sichtlich erleichtert, da seine philippinischen Freundinnen ja was wirklich seriöses suchen mit einem Mann der was im Köpfchen und vor allem was auf dem Konto hat. Hier auf den Philippinen bezahlt man nicht so viel Steuer und Versicherung, da muss man sich anderweitig absichern. Er hat mir noch angeboten auf seinem Grundstück ein Hostel zu eröffnen. 1000€ würden reichen um zu starten. Wir könnten dann gemeinsame Sache machen und da seine Frau Bürgermeisterin von Palawan werden will wäre die Vetternwirtschaft auch schon geregelt. Aber ich habe andere Pläne. Ich muss schmunzeln, es gefällt mir derart schräge Vögel kennen zu lernen, auch wenn ich mit ihnen nicht tauschen will. Zu Hause lebt jeder das selbe Leben (was nicht falsch ist und funktioniert) aber hier hat jeder seine eigene Geschichte zu erzählen. Das ist das Schöne wenn man alleine ungewöhnliche Orte bereist. Man lernt ungewöhnliche Menschen kennen. Genau was ich wollte. Abends überlege ich was ich mache. Mein Plan war eigentlich erst einmal in Palawan anzukommen und die Strände dort zu genießen. Beachen unter dem Taifun ist aber nicht zu empfehlen. Also noch hier bleiben und abwarten oder rüber nach Cebu. Da soll das Wetter besser sein. Morgen ziehe ich in eine andere Unterkunft hier auf Puerto Princessa um, da das Bamboo Nest ausgebucht war. Verständlich, wenn so ein Spektakel nur alle 25 Jahre zu erleben ist.

Heute ziehe ich um in eine andere Unterkunft. Gegen Mittag holt mich die Besitzerin Andrea im Bamboo Nest ab. Es dauert etwas, da sie sich durch die überfluteten Straßen kämpfen muss. Pablo fährt auch mit ins Zentrum. Er fliegt heute nach Manila und nachdem ich eingecheckt habe verbringen wir den Tag noch gemeinsam in der Stadt. Wir machen den Baywalk in der Bucht von Puerto Prinzessa. Alles ist ziemlich schmutzig hier. Meine Eindrücke sind durchwachsen. Wir laufen durch einen örtlichen Markt, der recht beeindruckend ist und gegen 16 Uhr kaufen wir uns was zu essen in einem philippinischen Foud Court. Lustige Leute da. Anschließend nehmen wir eines dieser Taxis zurück zu meiner Unterkunft bei denen jede Fahrt 13 Peso kostet. Egal wohin und wie weit. Oft fahren die auch nicht da hin wo man will, dann steigt man einfach aus und nimmt ein anderes. Bei 20 Cent pro Fahrt ist das ok. Auf dem Rückweg lernen wir noch einen Italiener kennen, und wen kennt er. Domingo. Ich verabschiede mich von Pablo und beziehe mein Zimmer. Erstmal alles auspacken. Ich stelle fest die Dusche funktioniert nicht. Also bekomme ich einen Eimer mit Wasser und eine Schöpfkelle. Nach der erschöpfenden Erfrischung mache ich noch einen Post-Jetlag Powernapp und gehe dann nochmal in den Ort um etwas zu essen. Die kommenden Tage verbringe ich in Puerto Princesa, ich will noch den berühmten Underground River ansehen. Das Wetter entscheidet aber dagegen. Ich entscheide mich nun noch nach Port Barton zu fahren und dann weiter rauf nach El Nido und Coron. Die Nachtfahrt im Fluss kann ich auch noch machen wenn ich zurück komme, da ich eh via Puerta Princessa ausfliegen muss. Ich nutze die Gelegenheit um meinen Aufenthalt zu verlängern. Man sagt mir, da gehst du in der Robinson Mall zur Immigration Office und die machen das da. Nach einem Besuch der Institution freue ich mich endlich wieder ein Zertifikat zu bekommen. Es bescheinigt mir, dass ich auf keiner Blacklist bin und nicht schlimmes gemacht habe. Nach 4 Wochen ohne eLearnings fühlt sich das wirklich gut an. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier...